AdT: Delicious – Gerechtigkeit für eine alte Sorte! (24.05.2018)

Historische Abbildung zweier roter Äpfel; USDA

Der Delicious, gemalt von Royal Charles Steadman 1921 in Washington, D.C.; ©USDA

Eigentlich wollte ich den heutigen Apfel des Tages mit einem „Muß man nicht vorstellen, langweilige Massenware“ abfertigen. Der Red Delicious ist nicht nur in hiesigen Obstabteilungen ein Dauergast, auch in den USA gehörte er bis Ende des 20. Jahrhunderts zu den meistangebauten Sorten und hat im Verlauf von fast 150 Jahren sehr viele Sorten verdrängt. Aber dennoch gibt es noch das eine oder andere Wissenswerte über ihn zu berichten.

Der Einfachheit halber habe ich Creighton Lee Calhouns „Old Southern Apples“ Eintrag konsultiert. Der auch gleich mit einer schallenden Ohrfeige beginnt:

„Die unreifen, stärkehaltigen Äpfel von Red Delicious, die man in Supermärkten findet (und die normalerweise an der Westküste angebaut werden), haben wenig Ähnlichkeit mit einem im Süden ausgereiften Delicious, einem Apfel mit hohem Geschmack und Aroma. Der aber kleiner und weniger glänzend ist als die Westküstenäpfel.“

Mit den hiesigen Supermarkt-Versionen des Red (und auch des Golden) Delicious’ kann man mich auch jagen. Interessant also, daß es besser schmeckende Exemplare dieser Sorte geben soll. Und früher™ eh alles besser war.

Jesse Hiatt aus Peru im Madison County, Iowa, gilt als Züchter des roten Delicious. Es gibt zwei leicht unterschiedliche Geschichten über die Anfänge dieser Sorte, die aber beide sagen, daß der Yellow Bellflower die Ursprungssorte war, aus der der Delicious entstand. Dieser wurde zunächst „Hawkeye Delicious” genannt.

Im Jahr 1893 schickte Hiatt einige Äpfel zu einer Obstschau in Louisiana, Missouri. Sie gewannen den ersten Preis und beeindruckten C. M. Stark, den Besitzer der damals schon wichtigen Versand-Baumschule Stark Bro’s. Es dauerte etwas, dann kaufte Stark Bro’s die Rechte, den Apfelbaum zu vermehren und zu verkaufen sowie das Recht, ihn umzubenennen.

1895 brachte Stark Bro’s die Sorte als Delicious auf den Markt, bis 1922 hatten sie bereits acht Millionen Bäume verkauft. (Sie brachten später auch den Golden Delicious auf den Markt.) Die Robustheit und Produktivität des Baumes, die Schönheit und die Essqualität der Frucht hat schnell dafür gesorgt, daß die meisten anderen kommerziellen Sorten in den Apfelanbaugebieten der Vereinigten Staaten verdrängt wurden.

Jesse Hiatt hat den Erfolg seines Apfels nicht erlebt. Der Quäker starb im Jahr 1898, bevor der Delicious wirklich zu Ruhm gelangte. Sein ursprünglicher Delicious-Baum lebte bis 1940, als ein Eissturm ihn abbrach. Aus dem Stumpf sollen aber zwei neue Bäume entstanden sein, von denen einer bis 2013 überdauert haben soll.

Die sehr großen, vollständig roten „Red Delicious“, die heute in Supermärkten verkauft werden, sind Mutationen des ursprünglichen Delicious, die aufgrund ihrer Größe, Form und Farbe ausgewählt und vermehrt wurden. Dreihundert Mutationen wurden im Laufe der Jahre gefunden, und einige haben den ursprünglichen Delicious in den kommerziellen Obstgärten vollständig ersetzt. Die Essqualität dieser roten Abkömmlinge ist, wie oben schon erwähnt, geringer als die des Originals oder des „Hawkeye Delicious“.

Die Frucht ist mittel bis groß, rundlich bis etwas länglich und recht kegelförmig. Die glatte, dicke Schale ist läßt sich hochglänzend polieren, was in Geschäften hervorragend ankommt. Die gelbe Grundfarbe ist mit Rot überzogen, wobei undeutliche dunkelrote Streifen wie auch zahlreiche kleine Punkte zu sehen sind.

Das gelbliche, saftige Fruchtfleisch ist mäßig feinkörnig und brechend, leicht süß bis süß mit dem unverwechselbaren „Delicious“-Geschmack. Der Apfel reift im September und Oktober.

Inzwischen ist die Sorte durch Gala oder Fuji im Anbau zurückgedrängt worden. Und von einer neuen Sorte mit Marktführer-Anspruch, dem Cosmic Crisp, hatte ich hier ja schon im Zusammenhang mit einem anderen verschwundenen Apfel aus Iowa berichtet.

Der Künstler

Der 1875 geborene Royal Charles Steadman gehörte wie Ellen Isham Schutt (1873–1955), Mary Daisy Arnold (ca. 1873–1955) und Deborah Griscom Passmore (1840–1911) zu den Illustrator*innen beim USDA und arbeitete dort seit 1915 als „pomological artist“. Er ist mit 892 Dokumenten in der pomologischen Aquarellsammlung verzeichnet.

Und sonst:

Nachdem ich mich um etwas Gerechtigkeit für den ursprünglichen Delicious bemüht habe, höre ich jetzt aus Donizettis „Anna Bolena“ das großartige „Giudici ad Anna!“, 1957 gesungen von der unvergleich großartigeren Maria Callas.

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© U.S. Department of Agriculture Pomological Watercolor Collection. Rare and Special Collections, National Agricultural Library, Beltsville, MD 20705

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