AdT: Gestrickte Reinette – Apfel mit Charakter (06.08.2018)

Historische Abbildung eines gelblich-rötlichen, stark gemusterten Apfels; Bund Lemgo

Die Gestrickte Reinette; ©BUND Lemgo

Die Abbildung zum heutigen Apfel des Tages, der Gestrickten Reinette, stammt aus Rudolf Stolls (1847-1913) „Österreichisch-Ungarischer Pomologie“. Der bemüht sich gleich, den Namen zu verteidigen, denn zu dem Namen gibt es einige Sorten, und sein Apfel wird auch gern als Charakterrenette geführt. Auf jeden Fall gehört sie aber zur Gruppe der Grauen Renetten.

All diese Sorten eint die netzartigen Rostfiguren, die sie komplett überziehen (im Gegensatz zur Hieroglyphenreinette). Stoll wendet sich damit auch gegen das „Illustrierte Handbuch der Obstkunde“ (PDF), in dem Johann Georg Conrad Oberdieck (1794-1880) den Apfel als Charakterrenette einsortiert. Ich weiß nicht, ob Stoll dann eine rhetorische Blendgranate wirft, indem er auf Adrian Diels (1756-1839) Ausführungen zur Charakter-Reinette eingeht, diese verwirft, um einige andere ähnliche Reinetten aufzuführen (Kröten-, Uellner’s Gold- und Burchhardt’s Reinette, König Jakob u.a.) und dann ohne Umschweife elegant zur Gestalt seines Apfels überzugehen.

Der flachrunde, manchmal auch spitz zulaufende Apfel hat deutliche Rippen, die die Rundung des Apfels unregelmäßig machen.

Die recht feine, glänzende Schale ist durch das Rostnetz etwas rauh, in der Grundfarbe hellgelb bis goldgelb. Auf der Sonnenseite zeigt sich ein mattes Rot, das sich bis zu einem hellen und leuchtende Rot entwickeln kann. Punkte sind kaum bemerkbar, nur auf den roten Flächen sind sie etwas besser zu sehen. Stoll merkt an, daß die Netzstrukturen nicht in jedem Jahr auftreten; ohne diese ähnelt der Apfel dann der Canadareinette.

Das weiße Fruchtfleisch ist fein, fest und saftig, es entwickelt einen sehr angenehmen edlen Reinettengeschmack.

Der Apfel ist ab Dezember genußreif und hält sich, dabei etwas welkend, bis in den März. Er ist als Tafel- wie auch als Küchenapfel verwendbar. Und da der Baum sehr guten Ertrag bringt und beim Boden nicht empfindlich ist, wünscht Stoll der Sorte eine weite Verbreitung.

Auch Jakob Pfau-Schellenberg (1815-1881) hat in seinem schönen Band „100 alte Apfel- und Birnensorten“ die Gestrickte (Herbst-) Reinette beschrieben. Ich hatte ja schon in einem früheren Beitrag auf seine umfangreiche Tabelle zu den diversen Grauen Reinetten hingewiesen.

Und auch den Artikel zur heutigen Renette beginnt er mit einem mahneden Satz:

Es herrscht wohl bei keiner natürlichen Aepfelgruppe eine größere Verwirrung, als bei den grauen Reinetten, den sogenannten «Lederäpfeln».

Und er fährt fort, daß in der Schweiz einfach alles „Lederapfel“ genannt wird, da selbst die Pomologen sich häufig nicht einig seien. Der Apfel des Tages scheint zu seiner Zeit in der Schweiz nur in Hausgärten vorgekommen zu sein. Später wendet er sich dann aber auch gegen Obderdieck und dessen Benennung als Charakter-Reinette, allerdings könnte er da einer Verwechslung mit der Hieroglyphen-Reinette erlegen sein.

Seine Unsicherheit formuliert Pfau-Schellenberg dann aber zum Schluß noch:

Bessere Belehrung vorbehalten, glaube ich in vorliegender Beschreibung die eigentliche gestrickte Reknette geschildert zu haben, und setze zur Vervollständigung nur noch bei, daß dieser Apfel immer etwas welkt, selbst wenn er bis spät hängt, und daß er als trefflicher Tafelapfel vom Januar bis März seine besten Eigenschaften entwickelt.

Was sehr erfreulich ist: In der Schweiz scheint diese Sorte immer noch verbreitet zu sein, das legt jedenfalls der Eintrag bei der ProSpecieRara und die Ankündigung einer Verköstigung mit über 200 Apfelsorten auf dem Obstbauernhof von Brigitte und Hansrudolf Schweizer in Neukirch a.d.Thur nahe.

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