Der rothe Eckapfel im „Deutschen Obstcabinett“; ©BUND Lemgo
Bei der Recherche zum heutigen Apfel des Tages, dem Roten Eckapfel, habe ich einen weiteren Pomologen entdeckt: Johann Volkmar Sickler (1742-1820). In seinem „Teutschen Obstgärtner“, der ersten deutschen Obstbauzeitschrift, findet sich eine Illustration, die anders ist als die bisherigen im Blog. Für mich hat sie schon fast malerische Qualität:
Der rothe Eckapfel im „Teutschen Obstgärtner; ©BUND Lemgo
Und ich habe eine weitere Quelle aufgetan: Bei der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena gibt es ein Portal mit freiem Zugang zu über 1.000 Zeitschriften und Zeitungen in digitaler Form. Darunter auch den „Teutschen Obstgärtner“! Und man hat Humor: Diese zentrale Zugangsplattform für multimediale Angebote der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) und weiterer Partner nennt sich Universal Multimedia Electronic Library – kurz „UrMEL“.
Im 19. Band des „Teutschen Obstgärtners“ gibt ein C. M. Beyer die erste und zugleich ausführliche Beschreibung des Roten Eckapfels, der wohl ein „Sachse“ war und hauptsächlich in der Umgebung von Meißen vorkam.
Der sehr große und schwere Apfel tritt in zwei Formen auf: als lange Walze mit einer kräftigen Mitte oder als stumpfkegelige Frucht. Die ausgeprägten Rippen lassen ihn eckig und uneben werden.
Die Schale ist sehr fettig, weiß- oder grüngelb mit schwach-roten Flächen; wenn der Apfel stark besonnt wird, kommt es zu einem „brennenden Rot“, das nach dem Polieren wie Lack wirkt. Bei diesen Äpfeln fehlen dann die sonst auftretenden Bandstreifen.
Das Fruchtfleisch ist grüngelb, feinkörnig, fest und dicht, wodurch die Äpfel bei gleicher Größe meist deutlich schwerer als andere Sorten seien. Allerdings relativiert der königlich sächsische Geheime Rat und Pomologe Gustav von Flotow (1789-1864) dies im „Illustrierten Handbuch der Obstkunde“ (PDF), er habe solch schwere Früchte nur selten am Markt gefunden, meist seien sie doch deutlich kleiner.
Im Geschmack süßsauer, aber ohne Würze oder Feinheit, weshalb es eher ein Küchenapfel ist, der sich sehr gut zum Dörren (oder „Welken“, wie es früher hieß) eignet und beim Kochen sehr mild und locker wird. Geerntet ab Oktober, ist er nach Beyer im Dezember genußreif und hält sich „bis Pfingsten“. Die Lagerung ist aber nicht ganz einfach. Der Baum liefert regelmäßig reiche Ernten.
Johann Volkmar Sickler wurde 1770 von Friedrich Wilhelm von Seebach, dem Dompropst von Naumburg, auf Gut in Kleinfahner in der Nähe von Erfurt geholt, 1771 wurde er dort Pfarrer. Dazu mußte er sich auch um die Verwaltung eines umfangreichen Landwirtschaftsbetriebes kümmern. Er erzielte dabei in der Baumschule bedeutende Fortschritte bei der Obstbaumpflege und den Veredlungsmethoden. Sickler trug wesentlich dazu bei, den Obstanbau in der Gegend zu etablieren, der seitdem einen wichtigen Erwerbszweig darstellt und die Landschaft prägt.
Er hatte auch eine eigene Baumschule, in der er zahlreiche Obstsorten anbaute und von der aus er Edelreiser an andere Pomologen verschickte. In Anerkennung seiner Leistungen nahm ihn u.a. die Royal Horticultural Society in London zum auswärtigen Mitglied auf.
Als ich heute das Kalenderblatt anschaute, dachte ich zuerst, es wäre von der Form her eher ein Kürbis, als ein Apfel. Hochinteressant, was es früher alles gab und bedauerlich, welche Eintönigkeit im heutigen Apfelangebot herrscht.
Ja, von diesen ungewöhnlichen Apfelsorten finden sich ja einige im Kalender. Z.B. der „Rothe Ramburger“ oder der „Weisse Winterkalwill Tollapfel“ – im Supermarkt hätten die vermutlich keine Chance.