Die Reinette Blanche hâtive; © Biodiversity Heritage Library
Die schöne Abbildung des heutigen Apfels des Tages stammt aus Band 4 der Pomologie Française, die der bedeutende französische Pomologe Pierre-Antoine Poiteau (1766-1854) im Jahr 1846 herausgegeben hat. Sie steht bei der Biodiversity Heritage Library digital zur Verfügung und zeigt die Reinette blanche hâtive. Ich dachte zuerst an einen Druckfehler und vermutete „native“ – mein Schulfranzösisch war nie das beste.
Poiteau beginnt seine Beschreibung der früh reifen weißen Renette mit einer Abgrenzung zu Henri Louis Duhamel du Monceau (1700-1782) ein. Dieser nannte den Apfel 1768 in seinem Traité des Arbres Fruitiers Vrai Drap d’Or (darüber hatte ich hier schon geschrieben)
Poiteau hält dagegen an dem Namen fest, den er auch im Küchengarten von Versailles trug. Denn 1. habe die Reinette blanche hâtive die Eigenschaften von Reinetten; 2. wird er von Züchtern, die Poiteau konsultiert hatte, Reinette genennt; und 3. passe der Name „Drap d’Or“ weniger zu ihm als zu vielen anderen Äpfeln, und Menschen, die sich mit der Nomenklatur von Früchten befassen, könnten durch Duhamel in die Irre geführt werden.
Danach wendet sich Poiteau dem Baum zu. Den nennt er kräftig, gerade wachsend, seine Äste gut tragend, zudem bilde er im Freien einen schönen Stamm.
Die Knospen sind groß, geknickt, leicht rötlich, pudrig grau, mit länglichen, aschweißen Punkten gezeichnet.
Die ovalen oder länglichen Blätter sind spitz, mit großen ungleichen Zähnen umrandet, oben sehr dunkelgrün, unten weißlich und mit einem Flaum versehen, der sich leicht durch Reibung löst. Sie sind 8 bis 13 Zentimeter lang (3 bis 4 Zoll).
Die Blüten, von denen eine auf der Abbildung sehr schön zu sehen ist, wachsen normalerweise zu sechst auf jeder Dolde. Sie sind ein wenig konkav, 5 cm breit, von einem kräftigeren Rosa und werden von baumwollartigen Stielen getragen.
Die Äpfel variieren ein wenig in der Größe, sind aber in der Form einheitlich: Diese ist etwas länglich, oben schmaler als unten, von gleicher Oberfläche, 6 bis 9 Zentimeter (2 bis 3 Zoll) hoch.
Der Blütenkelch befindet sich in einer großen, ausgestellten Höhle, die regelmäßiger als bei anderen Äpfeln ist. Die Stielhöhle ist noch größer als die Augenhöhle.
Die feine, feste und glatte Schale ist zuerst grünlich, geht dann in das Weiß der Kalvillen über, dann in ein zartes Gelb – wobei Poiteau auch hier Duhamel widerspricht, der auch ein mattes Goldgelb beschreibt. Kleine, regelmäßige grünliche Punkte sind sichtbar, Flecken dagegen nicht, außer manchmal am Stielkelch.
Das Fruchtfleisch ist weiß, mit einem kleinen grünlichen Auge und von sehr feiner Maserung.
Das Saft ist anfangs sehr sauer; er wird dann milder und sehr angenehm; mit zunehmender Lagerung wird allerdings das Fruchtfleisch etwas mehlig – das teilt er mit vielen früh reifen Äpfeln.
Der Apfel wird etwa Mitte August reif und kann bis Ende Oktober gelagert werden. Zu Beginn ist seine Farbe noch grün, die Schale schrumpelt nicht wie bei anderen Reinetten; mit hohem Reifegrad wird sie dann aber fleckig und verrottet.
Und sonst:
Es war zugegeben eine Schnapsidee, mal ganz blöd „Frühreife Französin“ in die Suche für einzugeben. Doch der erste Treffer war dann sehr interessant: Lady Nancy Clare Cunards (1896-1965) Biographie in der Wikipedia hat es in sich, die Einleitung möge neugierig machen:
Sie war eine britische Publizistin, Dichterin und Verlegerin. Die reiche Erbin galt als radikale und feministische Exzentrikerin. Sie engagierte sich energisch gegen Rassismus […]
– eine absolute Leseempfehlung von mir zum Sonntag.
Eine Antwort auf „AdT: Reinette blanche hâtive – ein frühreifes Früchtchen (23.01.2022)“